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Ehevertrag

In der Beratung stößt man auf recht viele Fehlvorstellungen davon, was ein Ehevertrag ist und wann er sinnvoll oder erforderlich wird. Für die Einen ist es eine zwingende Regelung um sein Vermögen im Fall der Scheidung vor dem Ehepartners zu retten und für die Anderen ist es ein Zeichen von Misstrauen dem Partner gegenüber.

Beides ist jedoch meines Erachtens falsch. Die Ordnung der Verhältnisse für den Fall einer Scheidung bedeutet nicht, dass man die Scheidung für wahrscheinlich hält und dass nicht jede Ehe bis ans Lebensende hält, dürfte jedem Menschen bewusst sein. Aufgrund einer grundsätzlich guten gesetzlichen Regelung ist jedoch auch nicht in jedem Fall ein Ehevertrag notwendig.

Abgrenzung vorsorglicher Ehevertrag und Scheidungsfolgen

Zunächst wäre zu unterscheiden zwischen zwei völlig unterschiedlichen Ausgangssituationen:

  1. Der Ehevertrag vor der Eheschließung oder danach als Vorsorge für den Fall einer Scheidung oder zur Ordnung der Verhältnisse während der Ehe. Hierüber zu informieren, dient dieser Text.
  2. Die Scheidungsfolgenvereinbarung nach der Trennung, um bei einer schon zerrütteten Ehe die Verhältnisse nach der Scheidung zu klären. Insoweit verweise ich auf den Text „Scheidungsfolgenvereinbarungen”.

Gesetzlicher Güterstand der Zugewinngemeinschaft

Wer in Deutschland heiratet, lebt (soweit nicht ausnahmsweise ein ausländischer Güterstand in Betracht kommt) im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der Begriff Zugewinngemeinschaft ist dabei etwas missverständlich, da auch nach der Eheschließung kein gemeinschaftliches Vermögen entsteht. Jeder Ehepartner bleibt Eigentümer dessen, was er vor der Eheschließung hatte und während der Ehe hinzuerwirbt.
Lediglich im Fall der Scheidung (und teilweise auch im Todesfall) entsteht ein Ausgleichsanspruch in der Form, dass ein Wertausgleich für das zu zahlen ist, was während der Ehe hinzugekommen ist.

Vereinfachtes Beispiel:
Wenn beide Ehepartner vermögenslos die Ehe eingegangen sind (Anfangsvermögen = 0 €) und bei der Scheidung der eine Ehepartner (E1) 100.000,00 € besitzt und er Andere (E2) 200.000,00 € (Endvermögen), muss E2 an E1 einen Ausgleich in Höhe von 50.000,00 € zahlen (Zugewinnausgleich), sodass das in der Ehe hinzugewonnene Vermögen unter beiden gleichermaßen verteilt wird (jeder 150.000,00 €).

Auf diese Weise wird (vom Grundgedanken recht fair) das hinzugewonnene Vermögen gleichmäßig verteilt, auch wenn ggf. der eine Ehepartner berufstätig war und der andere sich z.B. schwerpunktmäßig um die Kindererziehung gekümmert hat.
Nicht auszugleichen sind dabei Vermögenszuwendungen, die durch Schenkungen oder Erbschaft während der Ehe das Vermögen vermehrt haben. Vom Zugewinnausgleich wiederum umfasst sind jedoch die Wertsteigerungen oder Einnahmen aus den Schenkungen oder der Erbschaft.

Wann bestehet z.B. Regelungsbedarf?

Die Gründe dafür, an der vorgenannten Regelung etwas zu ändern können sehr vielfältig sein:
  • Es kann sein, dass die gesetzliche Regelung nicht mit dem persönlichen Entwurf der gemeinsamen Ehe übereinstimmt.
  • Zur Klarstellung und Absicherung können für den Fall der Scheidung ergänzende Regelungen getroffen werden (z.B. Unterhaltsverzicht, Festlegung des Anfangsvermögens etc.).
  • Auch steuerliche Erwägungen können eine Rolle spielen (z.B. bei einer sog. „Güterstandsschaukel“).
  • Wenn ein Ehepartner selbständig ist, kann ein großen Interesse daran bestehen das Unternehmen im Fall der Scheidung vor dem Zugewinnausgleich zu schützen. Wenn der abstrakte Wert des Unternehmens zu ½ an den Ehepartner auszugleichen ist, ist dies häufig nicht ohne Weiteres möglich, sodass der Verkauf oder die Zerschlagung des Unternehmens erforderlich werden könnte. Um dies zu verhindern, kann es ratsam sein, die Wertsteigerungen des Unternehmers aus dem Zugewinnausgleich herauszunehmen.
  • Mitgesellschafter können zum Schutz bzw. für den Fortbestand des Unternehmens darauf drängen bzw. der Gesellschafter hierzu aufgrund des Gesellschaftsvertrages verpflichtet sein.
  • Es sind im Fall der Scheidung Streitigkeiten über Werte einzelner Vermögensgegenstände zu befürchten und es besteht daher ein Interesse daran diese Werte bereits vorab festzulegen oder zumindest Bewertungsgrundsätze zu regeln (z.B. für eine Unternehmensbewertung).
  • uvm.

Modifizierte Zugewinngemeinschaft

Die Lösung kann häufig die sog. „modifizierte Zugewinngemeinschaft“ sein. Die alternativ häufig gewünschte Gütertrennung ist nur in seltenen Fällen sinnvoll. Die modifizierte Zugewinngemeinschaft kann in weiten Teilen ebenso ausgestaltet werden, wie eine Gütertrennung, bietet aber einen wesentlichen Vorteil für den Erbfall.
Die „modifizierte Zugewinngemeinschaft“ ist zwar ein oft verwendeter Begriff, dahinter können sich jedoch sehr viele Gestaltungsvarianten verstecken, die individuell auf den Einzelfall angepasst werden sollten. So kann z.B.:
• der Zugewinnausgleich ganz ausgeschlossen werden;
• nur bestimmte Gegenstände oder Wert aus dem Zugewinnausgleich herausgenommen werden (z.B. das Unternehmen) oder
• das Anfangsvermögen kann durch Vereinbarung festgelegt werden, sodass hierüber im Fall der Scheidung keine Uneinigkeit aufkommt.

Weitere Gestaltungsmöglichkeiten

In einem Ehevertrag können jedoch auch viele andere Angelegenheiten geregelt werden, die nichts oder nur indirekt mit dem Zugewinnausgleich zu tun haben. Denkbar sind z.B. Regelungen zum
  • Ehegattenunterhalt während bzw. nach der Ehe;
  • Versorgungsausgleich (Ausgleiche der Rentenansprüche), wobei hierzu recht strikte gesetzliche Vorgaben gelten, sodass der Gestaltungsspielraum gering ist;
  • Kindesunterhalt (selten zu empfehlen, da sich die tatsächliche Entwicklung der ehelichen Umstände nicht prognostizieren lässt).

Zusätzlich ist im Rahmen einer Vorsorge auch immer an ein Testament/einen Erbvertrag und eine Vorsorgevollmacht und/oder Patientenverfügung zu denken.

Grenzen des Ehevertrages

Grundsätzlich sind Eheleute in dem, was Sie vereinbaren wollen, frei. Neben zwingenden gesetzlichen Vorschriften (z.B. im Bereich des Versorgungsausgleichs) hat die höchstrichterliche Rechtsprechung jedoch einige Grenzen gezogen, die nicht überschritten werden können bzw. deren Überschreitung das Risiko einer Unwirksamkeit des Vereinbarten mit sich bringt.
Ganz besonders einseitige Eheverträge können somit im Einzelfall vollständig unwirksam sein. Auch wenn dies nicht der Fall ist, können einzelne Regelungen, die im Scheidungsfall ungerecht erscheinen ggf. einer gerichtlichen Überprüfung im Scheidungsfall nicht standhalten, sodass diese Regelungen dann keine Anwendung mehr finden (sog. „Ausübungskontrolle“).

Aus diesen Gründen ist eine ausführliche Beratung unerlässlich. Ich beurkunde daher im Allgemeinen keinen Ehevertrag, ohne zuvor mit beiden Eheleuten gemeinsam ausführlich die Ausgangssituation und die gemeinsamen Ziele besprochen zu haben. Wenn Sie Interesse haben, bitte ich Sie somit über mein Büro einen Besprechungstermin zu vereinbaren, um zu erarbeiten, ob für Sie ein Ehevertrag sinnvoll ist und welchen Inhalt er haben könnte.